Seit Generationen, manche sagen seit ihrer Gründung, herrscht die Familie der „van Lyrseks“ über Düsterwacht und die Ländereien, die die Stadt umgeben.
Michiel van Lyrsek, der amtierende Baron, ist ausgesprochen stolz darauf, entfernt mit dem Novigrader Adelshaus Vegelbund verwandt zu sein. Auch der Gewinn des „Erasmus Vegelbund Gedächtnissrennens“, welchen sein Großonkel Brato van Lyrsek erstritt, lässt seine Brust noch weiter schwellen.
Oft und gerne erzählt er von diesen, nicht seinen Taten entsprungenen, „Verdiensten“ seiner Familie.
Diesen fehlenden eigenen Erfolgen während der Dauer seiner Regentschaft ist wahrscheinlich zum Teil zuzuschreiben, dass er seit Jahren nicht mehr zu dem berühmten Maskenball der Vegelbunds nach Novigrad eingeladen wurde. Diese Tatsache sollte man dem ausgesprochen geselligen alten Mann gegenüber lieber nicht erwähnen, da er dies bitterlich bedauert.
Geäußerten Vermutungen, dass er wahrscheinlich aufgrund des recht unspektakulären, friedlichen Verlaufes seiner Regentschaft bei den Vegelbunds in Vergessenheit geraten sein könnte, wird ausgesprochen unwirsch, um nicht zu sagen rigoros aggressiv widersprochen.
Die Wirtschaft der Baronie ist geprägt von Acker- und Getreideanbau. Die ebenfalls vorhandene Pferdezucht ist qualitativ nicht erwähnenswert.
Gerüchte besagen das Brato von Lyrsek, geblendet von seinem Erfolg und dem anschließenden, ebenso legendären Umtrunk nach dem Gewinn des „Erasmus Vegelbund Gedächtnissrennens“, ein mit Farbe aufgewertetes Maultier als „Zirkanischen Zuchthengst“ erstand und in die Zucht eingliederte.
Heute kann über diese Zucht nur noch mit gutem Gewissen behauptet werden, dass die Stuten zumindest besser fohlen als die Hengste.
Die Zukunft der Baronie steht auf tönernen Füßen seit die Gemahlin und die Tochter des Barons, sowie sein starker, ihn immer beratender Bruder von Capriona dem Schnitter zugeführt wurden.
Für die Nachfolge des Barons bleiben nur sein Neffe und die Nichte, die Kinder seines verstorbenen Bruders, als nächste Verwandtschaft in der Blutlinie.
Man munkelt, dass sein fortgeschrittenes Alter und das Wissen um die Lebensarten und Ansichten dieser Kinder, das erneute Besuchen des großen Maskenballs der Vegelbunds in Novigrad regelrecht zu einer fixen Idee erwachsen ließen. Nur in diesen Kreisen darf er hoffen gute Partien für die ihm anvertrauten Zwillinge zu finden und so seinen Pflichten als Familienoberhaupt nachzukommen. Ein Gesichtspunkt des Herrschens, der ihm angesichts der Entwicklung der Kinder ansonsten gründlich danebengelungen ist.
Friedrich van Lyrsek, der erstgeborene der Zwillinge, ist stolz auf seine Abstammung. Viel mehr bleibt ihm auch nicht um seinen Kopf emporzurecken, denn er zieht die angenehmen Seiten seines Adelslebens eindeutig den Pflichten vor. Gerne spricht er dem Spiel, der Jagd und dem Umtrunk zu, über Weiteres decken wir hier gnädig den Mantel des Schweigens. Bei diesen Eskapaden wurde er des Ofteren in Begleitung von Quentin von Elander gesehen. Durch seine Art, den Härten des Lebens elegant in Richtung Wein, Weib und Würfel auszuweichen, hat er sich eine gewisse Sympathie bei manchen Teilen der Bevölkerung erworben. Ob er jedoch bei harten Entscheidungen ähnlich überzeugend auftreten
könnte wie am Weinkelch darf, gelinde gesagt bezweifelt werden.
Es wird gemunkelt, dass er Düsterwacht in ein Handelszentrum erblühen lassen will, bei dem die „Blütenblätter“ der Unterhaltung auf gar keinen Fall zu kurz kommen dürfen.
Theodora van Lyrsek, seine nach ihm geborenen Schwester, ist da von einem ganz anderen Schlag. Eine fromme, zielstrebige Frau, die auch politisch geschickt zu taktieren weiß. Das manche dies „taktieren“ mit dem Wort „hinterlistig“ verwechseln, soll nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Sie fand eine Seelenverwandte in ihrer Freundin Nuriel, mit der sie viele ihrer Ansichten teilt und verfolgt. Ihre Zukunftsvision von Düsterwacht ist ein Handelszentrum das, trotz des dunklen Namens der Stadt, im Glanz des ewigen Feuers stark und rein im Glauben erstrahlen soll. Das Verbot von Magie und Anderlingen steht fest in ihrer Charta, gemeinsam mit der „Umpositionierung“ von nicht arbeitenden oder anderweitig nützlichen Teilen der Bevölkerung, wie zum Beispiel Bettlern, Krüppeln und Waisen.
Siesieht die Zukunft dieser Individuen im Dienst der Kirche des ewigen Feuers oder irgendwo jenseits des Horizontes.
Eine starke, klare Vision, aber es darf befürchtet werden, dass sie diese Schrittfolge ebenfalls auf dem großen politischen Parkett ohne Kompromisse betanzen will.